Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung
Die Patientenverfügung und der Vorsorgeauftrag sind beides wichtige Instrumente der persönlichen Vorsorge. Sie dienen dazu, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche abzusichern, sollte die Urteilsunfähigkeit aufgrund von Unfall, Krankheit oder Altersschwäche eintreten.
Kurzvergleich zwischen Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung
Patientenverfügung | Vorsorgeauftrag | |
Inhalt | Medizinische Belange: Einsetzung eines Vertreters oder konkrete medizinische Anordnungen (bspw. Verzicht von Bluttransfusion) | Alle Geschäfte (insbesondere Rechtsgeschäfte), Rechtsvertretungen usw. Die Einsetzung eines Vertreters steht hierbei im Vordergrund. Es soll für alle Belange (insbesondere wirtschaftliche) vorgesorgt werden. |
Formvorschriften | Einfache Schriftlichkeit genügt. Datum und Unterschrift müssen vorhanden sein. Das heisst, auch eine mit dem Computer geschriebene Pateientenverfügung, die mit Datum und Unterschrift versehen ist, entspricht den Formvorschriften. | Der Vorsorgeauftrag muss zu seiner Gültigkeit entweder komplett handschriftlich (inkl. Datum und Unterschrift) niedergeschrieben - oder durch einen Notar öffentlich beurkunden werden. |
Geltungszeitpunkte | Die Patientenverfügung wird mit dem Eintritt der Urteilsunfähigkeit unmittelbar wirksam und verbindlich. Dies bedeutet, dass ohne Mithilfe der Erwachsenenschutzbehörde der Inhalt der Verfügung Geltung erlangt. | Im Gegensatz dazu tritt der Vorsorgeauftrag nicht unmittelbar mit der Urteilsunfähigkeit in Kraft, sondern erst nach Validierung durch die Erwachsenenschutzbehörde. |
Übersicht:
Der Vorsorgeauftrag ermöglicht es, im Voraus eine oder mehrere Personen (natürliche und/oder juristische Personen) zu bestimmen, welche im Falle der Urteilsunfähigkeit die persönlichen und finanziellen Angelegenheiten übernehmen. Dabei hat die eingesetzte Vertrauensperson, die im Vorsorgeauftrag definierten, individuellen Wünsche und Bedürfnisse zu wahren. Die Vollmacht berechtigt die Vertrauensperson, alle Rechtsgeschäfte zu erledigen, wobei diese auch auf bestimmte Bereiche oder Geschäfte beschränkt werden kann: Vermögensangelegenheiten, Personalangelegenheiten, Vertretung im Rechtsverkehr (insb. Vertretung gegenüber Banken, Behörden). Damit der Vorsorgeauftrag Geltung erlangt, muss die Urteilsunfähigkeit eintreten.
Urteilsunfähigkeit: Eine Person gilt als urteilsunfähig, wenn gewisse Anzeichen vorliegen (bspw. Kindesalter, geistige Behinderung, psychische Störung, Rausch) und die Fähigkeit nicht (mehr) vorhanden ist, vernunftgemäss zu handeln. Wer sich wegen eines dieser Gründe kein vernünftiges Urteil bzgl. der rechtlichen und/oder praktischen Konsequenz des eigenen Verhaltens bilden kann, besitzt keine Urteilsfähigkeit. (Fankhauser, Basler Kommentar, BSK, 7. Aufl., 2022 N 5 zu Art. 16 ZGB)
Die Patientenverfügung regelt dagegen lediglich die medizinischen Angelegenheiten. Es kann wie beim Vorsorgeauftrag etwa eine Vertretung bestellt werden. Es kann aber auch selbst entschieden und in der Verfügung festgehalten werden, welche medizinischen Massnahmen ergriffen werden sollten, sofern die Urteilsunfähigkeit eintritt.
Fragen und Antworten zum Vorsorgeauftrag
Brauche ich einen Vorsorgeauftrag?
Ein Vorsorgeauftrag ist keine Notwendigkeit, jedoch kann mit einem Vorsorgeauftrag Rücksicht auf die eigenen Interessen genommen werden, insbesondere welche Vertrauensperson für diese Interessen eintreten soll, wenn ein Urteilsunfähigkeitsgrund eintritt. Dies kann durch Krankheit, Unfall oder sonstige Gründe erfolgen.
Wie errichte ich einen Vorsorgeauftrag?
Im Zeitpunkt der Errichtung muss die betroffene Person handlungsfähig sein, d.h. urteilsfähig und volljährig. Minderjährige oder unter Beistandschaft stehende können somit selbst bei Urteilsfähigkeit keinen Vorsorgeauftrag errichten. Es ist nicht möglich, dies von einer Vertretung zu errichten, da es sich um ein absolut höchstpersönliches Recht handelt. Weiter muss der Vorsorgeauftrag öffentlich beurkundet werden oder eigenhändig (von Anfang bis zum Ende handschriftlich) geschrieben werden.
Was schreibe ich in den Vorsorgeauftrag?
In einem Vorsorgeauftrag sollte klar ersichtlich sein, wer für die bestimmten Angelegenheiten zuständig ist, insbesondere auch, welche Aufgaben die Vertretung hat. Es sollen alle Aufgaben, die die beauftragte Person übertragen erhält umschrieben - und Weisungen für die Erfüllung der Aufgaben erteilt werden.
In einem Vorsorgeauftrag kann man diverse Angelegenheiten regeln. Man kann eine Vollmacht erteilen (Allgemeine Befugnis zur Vertretung), oder aber man beschränkt diese Vertretungsmacht auf die Bereiche: Personensorge, Vermögenssorge, Vertretung im Rechtsverkehr. Jedoch sollten die Aufgabenbereiche klar umschrieben werden.
Personensorge: Umfasst das körperliche, geistige und seelische Wohl. Die Vertretungsperson in diesem Bereich, ist etwa auch für den Schutz der Persönlichkeit zuständig (bspw. Persönlichkeitsverletzungen Art. 28 ZGB).
Vermögenssorge: Die Vertretungsperson sorgt dafür, dass das Vermögen richtig verwaltet wird. Sie ist zuständig dafür, dass Lebenserhaltungskosten gedeckt sind, und die Rechnungen pünktlich bezahlt werden. Dies kann auch an eine juristische Person übertragen werden. Es kann auch bestimmt werden, für was das Vermögen verwendet werden sollte, bspw. dass eine jährliche Schenkung an das Enkelkind ausbezahlt werden soll.
Vertretung im Rechtsverkehr: Hierbei ist die Vertretungsperson zuständig, vor Banken, Behörden, Geschäftspartner, Familie etc. die betroffene Person rechtlich zu vertreten. Mit einer generellen Vertretung kann man der Vertretungsperson alle alltäglichen Vermögensaufgaben übertragen. Nicht alltägliche Aufgaben (Hauskauf, Grundbucheinträge etc.) werden nicht gedeckt, will man, dass man auch hier vertreten wird, müsste dies im Vorsorgeauftrag klar deklariert werden.
Was ist dabei wichtig zu beachten?
Wichtig ist, dass man eine Person wählt, der man vertraut. Ein grosses Problem kann sich etwa ergeben, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt. Könnte ein solcher vorliegen, sollte unter Umständen doch eine andere Person ausgewählt werden. Es ist auch möglich, eine stellvertretende Person zu benennen, wenn die bestimmte Person für die Aufgaben nicht geeignet sein soll, den Auftrag nicht annehmen will oder den Auftrag kündigen will.
Wo bewahre ich meinen Vorsorgeauftrag auf?
Der Vorsorgeauftrag kann grundsätzlich zu Hause aufbewahrt werden. Wichtig ist allerdings, dass jemand weiss, dass dieser vorhanden ist und wo er sich befindet. Es ist aber auch möglich, dass der Vorsorgeauftrag und dessen Hinterlegungsort in eine zentrale Datenbank eingetragen wird. Somit ist ersichtlich, dass ein Vorsorgeauftrag besteht. Diese Datenbank wird vom Zivilstandesamt geführt.
Was wenn ich keinen Vorsorgeauftrag mehr möchte, oder eine andere Vertretungsperson einsetzen möchte?
Der Vorsorgeauftrag kann jederzeit, in einer der Formen widerrufen werden, die für die Errichtung notwendig ist. Dies ist aber auch möglich, indem der Vorsorgeauftrag bzw. die Urkunde vernichtet wird. Für den Widerruf erforderlich ist, dass die betroffene Person die Urteilsfähigkeit hat und dass die vorgeschriebene Form eingehalten wird. Der Vorsorgeauftrag erlischt jedoch, wenn die betroffene Person die Urteilsfähigkeit wieder erlangt und mit dem Tod der betroffenen Person.
Welche Aufgaben und Pflichten hat meine Vertretung?
Die Aufgaben ergeben sich aus dem Inhalt des Vorsorgeauftrags, d.h., die betroffene Person bestimmt, welche Aufgaben die Vertretungsperson wahrnehmen soll. Daneben aber auch Entgegennahme von Mitteilungen und Informationen, Dokumentation der betreuten Geschäfte und Benachrichtigung der Erwachsenenschutzbehörde, sollten Geschäfte besorgt werden müssen, welche nicht von seinem Auftrag abgedeckt sind, oder wenn aus anderen Gründen weitere Massnahmen zur Wahrung der Interessen notwendig sind.
Pflicht zur vorschriftsgemässen Ausführung (Einhaltung des Umfangs des Auftrags und Beachtung von Weisungen)
Pflicht zur sorgfältigen und getreuen Geschäftsbesorgung
Pflicht zur persönlichen Besorgung
Pflicht, auf Verlangen Rechenschaft über die Geschäftsführung abzulegen
Pflicht, vereinnahmte Gelder abzuliefern
Treuepflichten: Insbesondere Diskretions- und Geheimhaltungspflichten
Was ist, wenn sich meine Vertretung nicht an die Aufgaben und Pflichten hält?
Werden die Interessen der betroffenen Person gefährdet oder nicht gewahrt, so muss die Erwachsenenschutzbehörde eingreifen. Dies erfolgt automatisch oder auf Antrag einer nahestehenden Person. Die Erwachsenenschutzbehörde kann dann der beauftragten Person Weisungen erteilen, diese zu verpflichten, ein Inventar einzurichten und/oder zur periodischen Rechnungsablage verpflichten. Es ist aber auch möglich, der Vertretung die Befugnisse teilweise oder ganz zu entziehen.
Muss ich meine Vertretungsperson entschädigen?
Die betroffene Person kann im Vorsorgeauftrag Anordnungen über die Entschädigung festlegen. Sollte dies nicht festgelegt werden, entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über die Entschädigung. Grundsätzlich legt die Erwachsenenschutzbehörde eine angemessene Entschädigung fest, sofern dies als gerechtfertigt erscheint. Die Entschädigung und die notwendigen Spesen werden der betroffenen Person belastet.
Kann mein Vertretungsperson kündigen?
Die beauftragte Person kann den Auftrag jederzeit mit einer zweimonatigen Kündigungsfrist durch schriftliche Mitteilung an die Erwachsenenschutzbehörde kündigen. Aus wichtigen Gründen kann sie den Auftrag fristlos kündigen. Dies wäre etwa bei Entstehung von nicht voraussehbaren Interessenkollisionen, bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Vertretung, bei unmöglichem Verhalten des Auftraggebers oder deren Umfeld gegeben.
Fragen und Antworten zur Patientenverfügung
Brauche ich überhaupt eine Patientenverfügung
Erstellen Sie in urteilsfähigem Zustand eine Patientenverfügung, kann sichergestellt werden, dass der eigene Wille in medizinischen Angelegenheiten auch durchgesetzt werden kann. Es ermöglicht dabei, das Recht auf Selbstbestimmung und die Patientenautonomie bzgl. künftiger Vorkehrungen zu fixieren und zu bestimmen.
Was regelt die Patientenverfügung?
Die vorsorgende Person kann mittels Patientenverfügung, Anordnungen treffen, welche medizinischen Massnahmen bei einer allfälligen Urteilsunfähigkeit eintreten bzw. durchgeführt werden sollen. Es können etwa folgende Punkte geregelt werden:
Welche medizinischen Massnahmen in einer bestimmten Situation angenommen bzw. abgelehnt werden. Grundsätzlich kann sich die Verfügung auf alle Arten von Behandlungen beziehen (somatische und psychische).
Es kann aber auch eine Person bestimmt werden, welche über die medizinischen Massnahmen entscheidet, wenn die vorsorgende Person nicht selbst entscheiden kann.
Was gilt für die beauftragten Person?
Die betraute Person muss in der Patientenverfügung individuell bezeichnet werden (analog Vorsorgeauftrag). Es muss sich dabei aber um eine natürliche Person handeln. Der Vertreter ist nicht verpflichtet, einen Auftrag anzunehmen und kann jederzeit mit sofortiger Wirkung den Auftrag beenden (im Gegensatz zum Vorsorgeauftrag).
Wie errichte ich eine Patientenverfügung?
Die Patientenverfügung erfordert als Errichtungsvoraussetzung nur die Urteilsfähigkeit und nicht die volle Handlungsfähigkeit. So kann auch eine minderjährige Person eine Patientenverfügung erlassen. Die Verfügung ist dabei gültig, wenn die einfache Schriftlichkeit eingehalten wird und sie mit Datum und Unterschrift versehen ist. Es kann sich dabei um eine individuell angefertigte- oder um eine vorformulierte Verfügung handeln.
Wo bewahre ich die Patientenverfügung auf?
Grundsätzlich wird die Patientenverfügung zu Hause aufbewahrt. Es ist jedoch möglich, die Tatsache, dass eine Verfügung erstellt wurde und wo sich diese befindet auf der Versichertenkarte eintragen lassen.
Wie kann ich die Verfügung widerrufen?
Die Verfügung kann jederzeit widerrufen werden, wobei die Verfügung entweder vernichtet oder schriftlich widerrufen werden muss.
Wann und wie wirkt die Patientenverfügung?
Die Wirkung entfaltet sich durch die Urteilsunfähigkeit der verfügenden Partei. Wird dabei bei einer urteilsunfähigen Person eine medizinische Behandlung notwendig, ist der behandelnde Arzt verpflichtet, anhand der Versicherungskarte abzuklären, ob eine Patientenverfügung vorliegt.
Liegt eine gültige Patientenverfügung vor, müssen sich die Ärzte grundsätzlich daran halten. Eine Ausnahme liegt aber beispielsweise vor, wenn die entsprechend gewünschte Behandlung nicht mehr zeitgemäss wäre, für den Fall dass die Verfügung vor längerer Zeit geschrieben wurde.
Weicht ein Arzt von der Patientenverfügung ab, muss dies im Patientendossier festgehalten und begründet werden.
Wurde eine Vertretung bezeichnet, ist diese Person über die indizierten Massnahmen aufzuklären und dieser müssen alle relevanten Informationen bereitgestellt werden.
Was wenn sich der Arzt nicht an die Verfügung hält?
Jede Person, die dem Patienten nahesteht, ist berechtigt, die Erwachsenenschutzbehörde zu informieren. Als nahestehend gelten dabei etwa Familienangehörigen und Freunde, aber auch der Arzt oder das Pflegepersonal.
Wird nun davon abgewichen, muss die Erwachsenenschutzbehörde prüfen, ob ein Abweichen gerechtfertigt ist und kann bei Gefährdung der Interessen des Patienten weitere Massnahmen vornehmen, damit sich die Vorgaben aus der Verfügung verwirklichen.